Sympathikus-Therapie
oder
Die manualtherapeutische Kartographie der Wirbelsäule
„Wissenschaft ist genaue
Beobachtung“
James Cameron in „Avatar“
Zusammenfassung
Es wird ein Wirkmodell vorgestellt, das realitätstüchtig die pathogene
Auswirkung von Wirbelsäulenblockierungen auf den Körper erklärt. Die
dauerhafte mechanische Irritation des sympathischen Grenzstrangs durch
Rippen- und rippenanaloge Gelenke (Kopf, Thorax, ISG) erzeugt trophische
Störungen im Sinne eines Minor-Sudeck bei Bedrängung efferenter
sympathischer Zellen. Im Bereich der sympathischen Afferenz entstehen
sogenannte „Vegästhesien“.
Beschrieben wird die (hypothetische) sympathische Doppelversorgung der
Haut (Blaschko-Linien) sowie der späte Anschluss des nicht-segmental
geordneten Grenzstrangs an die Metamerie. - –
Gestützt werden diese Vorstellungen durch die überaus erfolgreiche
manualtherapeutische Behandlung des Herpes Zoster, der im Gegensatz zur
Lehrmeinung in dieser Arbeit als Neuritis des sympathischen
Nervensystems interpretiert wird.
Das Modell vermag durch Hinterfragung hierarchischer metamerer
Vorstellung weiterhin die Variationsbreite und die mangelnde Systematik
der traditionellen manualtherapeutischer Kartographien erklären.
Schlüsselwörter
Blaschko-Linien, Herpes zoster,
Manualtherapie, Modell der vertebro-vegetativen Koppelung, Sympathischer
Grenzstrang,
____________________________________________________________________
Einleitung
Manualtherapeuten machen häufig die Erfahrung, dass nach einer
erfolgreichen Manipulation an der Wirbelsäule internistische
Erkrankungen gelindert werden. Aber auch regelmäßig auftretende
Wirbelblockierungen in definierten Segmenten waren bei bestimmten
internistischen Grunderkrankungen anzutreffen. Aus diesen Erfahrungen
heraus kristallisierte sich der in der manualmedizinischen Ausbildung
gelehrte Satz: „ Die Wirbelsäule ist Ursache und Wirkung in sich.“
Auffällig ist nun, dass der Versuch, die genannten Erfahrungen in
Kartographien zu systematisieren, je nach Schule zum Teil sehr genaue
Übereinstimmungen (zum Beispiel Magen und Th 6) und dann aber auch
wieder sehr differente Zuordnungen erbringt. Lassen sich Erfahrungen
nicht deckungsgleich reproduzieren, hat ihre Vermittlung wenig Sinn und
vermindert ihre Glaubwürdigkeit.
Abb. 1
2
3
und 4
Vielleicht können Erfahrungen mit der manualtherapeutischen Behandlung
der Gürtelrose zu kongruenteren Kartographien verhelfen. Voraussetzung
zum Verständnis der Behandlung ist das
Modell der vertebro-vegetativen Koppelung
Dieses soll anhand einer Kasuistik verdeutlicht werden:
Herr P. klagt seit Monaten über eine Abduktionshemmung im Sinne eines „painful
arc“ der rechten Schulter. Dieser findet seine Ursache in einer
Tendinopathie des M. supraspinatus. Besonders in der Nacht wacht Herr P.
oft auf, wenn er auf der rechten Seite liegt. Bei diesem Krankheitsbild
findet sich eregelmäßigine Blockierung des 5. BWK ipsilateral. Eine
erfolgreiche Deblockierung vermochte die Problematik rasch zu lindern.
*
(* : bedeuten Fußnoten________________)
*
Blockierung wird hier verstanden als eine reversible Störung des
physiologischen Gelenkspiels.
Auffällig in der Anamnese dieser Kasuistik und vieler anderer
Erkrankungen, die Patienten in die manualtherapeutische Praxis bringen,
ist die in der Kasuistik beschriebene Verschlechterung in Ruhe.
Diese Erfahrung hat zur Entwicklung des Modells der vertebro-vegetativen
Koppelung (im Weiteren als MVVK
abgekürzt) geführt. Im Gegensatz dazu steht das rein
blockierungsbedingte Krankheitsbild, das seine Symptomatik mit Schmerz
und und Bewegungseinschränkung fast ausschließlich bei Bewegung auslöst.
Wir müssen also zwischen Blockierung mit und ohne vegetativer (hier auch
dystropher) Symptomatik unterscheiden.
Mechanik
Das MVVK hypothetisiert eine chronische Irritation eines sympathischen
Grenzstrangganglions im Bereich der BWS durch eine im Rahmen einer
Rotationsblockierung entstandenen dauerhaften Subluxation des
zugehörigen Rippenköpfchens. Je nach Intensität der Rotation wird die an
Korpus und Querfortsatz des zugehörigen Wirbels und an Bandscheiben und
Wirbelkörper des darüber liegenden Wirbels fixierte Rippe aus dem
proximalen Gelenk gehebelt, wobei das Rippenköpfchen subluxiert.
Der Grenzstrang ist durch eine feste bindegewebige Membran an die Wirbelsäule fixiert. Seine Ganglien liegen im Allgemeinen direkt über den Artikulationen der Rippenköpfchen mit den Wirbelkörpern
Abb.
5 6
7
8
Eine Subluxation der Rippenköpfchen mit begleitendem Ödem der Gelenkkapsel erzeugt eine Raumforderung auch nach ventral in Richtung Grenzstrang. Dieser wird dann – analog der Einwirkung eines Bandscheibenprolapses auf das somatische Nervensystem – chronisch irritiert. o:p>
Sympathischer Grenzstrang:
A) Efferenz und Minor Sudeck
Der Sympathikus reagiert darauf im Bereich efferenter Fasern mit
einer dauerhaften Stimulierung. Barop beschreibt, die
Relationspathologie von Ricker zitierend [1], eine anhaltende
Stimulierung des perivasalen Sympathikus führe zu einer nach proximal
zunehmenden Vasokonstriktion und weiterhin zu einer engrammatischen
Sensibilisierung des Sympathikus. [2] Eine Störung der Trophik im
Versorgungsgebiet mit einer Minorform des Morbus Sudeck
ist die Folge. Der Morbus Sudeck wird heutzutage als komplexes
regionales Schmerzsyndrom ( CRPS = complex regional pain syndrom)
bezeichnet. Beim so genannten Minor Sudeck ist überwiegend die Efferenz
betroffen. Wesentlich ist besonders der Begriff regional, eine
conditio sine qua non für die Anwendbarkeit des MVVK. **
________________
**)
Drei chronische CRPS in geringer Ausprägung konnten in den letzten
Jahren manualtherapeutisch behandelt werden. Alle drei waren danach
geheilt! Ausführlichere Untersuchungen hierzu sollten durchgeführt
werden.
_________________________
Wie zum Beispiel beim
Lichen amyloideus oder dem Carpaltunnelsyndrom
entwickeln sich im Bereich der dauerhaft stimulierten
Efferenzen amyloide Eiweißdegenerationen. Andererseits entstehen im
Bereich der Schulter im Rahmen der gestörten Trophik
Kalkablagerungen. Im internistischen Bereich wird die Reizleitung
oder die Motorik beeinflusst oder eine Dauerstase im Gefäßsystem zum
Beispiel des Magens erzeugt. Herzrhythmusstörungen,
Refluxösophagitis, Gastritis oder Gallensteinbildung können die
Folge sein. Bei lang bestehender sympathikogener Hyperämie
beschreibt Riecker [3] die Ausbildung von
Adenomen als Ausdruck
einer paratypischen Hyperplasie. So wird die Entstehung von
Heberdenknoten durch
Bedrängung des Gangion stellatums durch einen Rundrücken
(„Witwenbuckel“) verstehbar.
B) Afferenz
Die dauerhafte
Irritation von afferenten Fasern hingegen führt zu
sympathikustypischen Ästhesien wie Jucken und Brennen. Je nach
Lokalisation der Impression des Grenzstrangs sind die
unterschiedlichsten Störungen zu erwarten. Der Begriff Kausalgie
deutet die mögliche Intensität des sympathisch vermittelten
Schmerzes an. Bekannt ist die Vermittlung von dumpfem
Oberflächenschmerz, protopathischem Tiefenschmerz und
Viszeralschmerz über die C-Fasern des afferenten Schenkels.
Unbekannt, da bisher
nicht dem Sympathikus zugeordnet, ist eine der Kribbelparästhesie
ähnlichen Sensation, die besonders an den Fingern auftritt. Diese
tritt bei besonderen Stellungen des Armes (nicht der HWS !) und vor
allem in Ruhe auf. Eine Deblockierung im Bereich der oberen BWS
schafft sofort Linderung. Diese Parästhesien werden entweder über
besondere Verschaltungen mit dem sensiblen Nervensystem generiert
oder sind eine besondere, bisher nicht beschriebene Qualität des
Sympathikus. An den Füßen sind dieses Parästhesien nicht bekannt.
***
____________
(***)
Thesen zur Diskussion:
An dieser Stelle wäre der Begriff Parästhesien zu hinterfragen, da
es sich anscheinend nicht um „Nebengefühle“ eines somatischen
Nerven, sondern um von einem anderen Nervensystem, eben dem
Vegetativum vermittelte Sensationen handelt. [4] Der Begriff
„Vegästhesien“ erscheint deswegen treffender. Typisch für die
sympathischen Afferenzen ist der Erhalt der normalen
Berührungsempfindlichkeit, die Lageabhängigkeit (zum Beispiel des
Arms) und die sofortige Linderung bei erfolgreicher Deblockierung
des zugehörigen Wirbels.)
______________
Die Verschiebung der
thorakalen zur Zwerchfellatmung in Ruhe und ganz besonders im Liegen
verursacht gerade in dieser Situation bei bestimmter Lagerung oder
Sitzposition eine dauerhafte Irritation des imprimierten
Grenzstrangareales. Intensive Bewegung mit Rippenatmung führt zu
kurzzeitiger Erholung der dystrophischen Situation durch Minderung
der Kompression des Sympathikus. Dieser Mechanismus vermag die
Verschlechterung bestimmter Erkrankungen wie Herzrhythmusstörungen
in Ruhe zu erklären.
C) Die Vermittlerrolle des Sympathikus
Komplexere Folgen hat
der oben beschriebene Mechanismus zum Beispiel in der Dermatologie.
Hier kommt es durch die Grenzstrangirritation zu einer trophischen
Störung des sympathisch versorgten Hautareals. Auf dieser realisiert
sich dann zum Beispiel ein allergisches Ekzem, dessen primäre Kausa
in einer intestinalen Candidose zu finden ist.
Schon der Dermatologe
Blaschko [5] vermutete 1901, hier jedoch für das somatische
Nervensystem, eine primäre Nervenerkrankung schaffe einen locus
minor resistentiae, an dem sich dann zum Beispiel ein Ekzem
lokalisiert; oder beim MVVK eben auch eine internistische oder
orthopädische Erkrankung. Als Beispiel sei hier die palmare
Hyperkeratose genannt. Alle drei in unserer Praxis behandelten Fälle
waren manualtherapeutisch erfolgreich zu behandeln.
Abb. 9
10
Daraus lässt sich
folgern: findet sich ein regional begrenztes Ekzem, dessen Ursache –
im Gegensatz zum Beispiel eine Chromatallergie – nicht zu eruieren
ist, kann eine Wirbelblockierung die Kausa/Vermittlungsinstanz sein.
Hochsignifikant für einen solchen Zusammenhang ist eine
Verschlechterung von Begleitsymptomen wie Brennen oder Jucken in
Ruhe, wie es zum Beispiel beim Herpes Zoster oft beschrieben wird.
Schon Blaschko [6] beschreibt lineare Naevi (Dermatosen entlang von
Nervenverläufen) als locus minoris resistentiae. Daneben beschreibt
er für diese Ekzeme abnorme Sensationen (Naevi pruriginosi) [7].
Ebenfalls kann die oft
erfolgreiche Behandlung der Migräne durch Manualtherapie an den
Kopfgelenken im Sinne einer sympathischen Vermittlung gedeutet
werden. Stress oder Hormonschwankungen wären als die primäre Kausa
anzusehen. Der durch eine Blockierung irritierte Sympathikus
bereitet jedoch das jeweilige Terrain für den Ausbruch der
Krankheit. Ohne Kopfgelenksblockierung wird sich die primäre Störung
selten als Migräne durchsetzen können.
Auch für den Ausbruch
des Herpes Zoster ist die Wirbelblockierungen nicht die Ursache.
Kausa ist weiterhin die lokale Reaktivierung eines hibernierenden
Varizelleninfekts (1. Faktor) durch eine noch unbekannte Ursache (2.
Faktor). Die Irritation des Grenzstrangs (3. Faktor) scheint jedoch
für den Ausbruch eine conditio sine qua non zu sein. Bei bisher 152
Zosterpatienten war nur bei 4 Patienten keine den Zoster
beeinflussende Blockierung zu detektieren. Die von Zosterpatienten
häufig geschilderte Sturzanamnese bei sonst gesunden Menschen weist
ebenfalls auf derartige Zusammenhänge hin.
Kartographien der Wirbelsäule
Klassische Kartographien
Außer der chinesischen
ordnen die unterschiedlichen Kartographien (siehe (Abb. 1 – 4)
jedem Wirbel bestimmte Organ- oder sogar auch Systemerkrankungen zu.
Als Vermittlungsinstanz für den von der Wirbelsäule ausgehenden
pathologischen Reiz wird entweder das Wirken „energetischer“
Instanzen**** oder des
somatischen Nervensystem hypothetisiert. In der CST (cranio-sacrale Therapie) und teilweise auch in der Osteopathie wird die These vertreten, die Dura Mater sei die Vermittlungsinstanz, die sich dann wieder irgendwie auf das somatisches Nervensystem auswirke.
____________
****Als
Kommentar dazu Ludwig Wittgensteins Schlusssatz im „Tractatus
philosophicus“: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man
schweigen“.
______________________
Die landläufigen
Vorstellungen über eine durch die Wirbelblockierungen verursachte
Irritation der sensiblen Radix sind aus mehreren Gründen nicht
nachvollziehbar:
1. Die Wirbelblockierung
ist eine Einschränkung des Gelenkspiels mit nur minimaler
(röntgenologisch im Allgemeinen nicht darstellbarer) Veränderung des
Lumens des Foramen intervertebrale.
2. Jede Retroflexion der
Wirbelsäule engt das Foramen wesentlich stärker ein als eine
Blockierung.
3 Das Foramen ist so
groß, dass die Radix im Duralsack frei flotieren kann. Sonst wären
Bewegungen, die das Foramen verkleinern, schmerzfrei nicht möglich.
4. Würde eine
Blockierung die sensible Radix beeinflussen, müsste jede das Foramen
einengende Bewegung die Symptomatik verschlechtern.
Vielleicht ist diesem
sehr realitätsfernen Wirkmodell die mangelnde Deckungsgleichheit der
tradierten Kartographien geschuldet. Andererseits gibt es auch
Übereinstimmungen, die abgeschrieben wirken. So wird Th8
übereinstimmend der Milz zugeordnet, ein Organ, von dem keine
primären, sondern nur sekundäre Erkrankungen bekannt sind. Hier kann
es kaum zahlenmäßig ausreichende Erfahrungen geben, die eine
entsprechende Auflistung rechtfertigen.
Kartographie des MVVK
Der zur Irritation des
Grenzstrangs führende Mechanismus (s. o.) kann natürlich nur dann
greifen, wenn der Grenzstrang auf Strukturen mit veränderbarem
Raumbedarf, wie zum Beispiel den Rippen-Wirbelgelenken liegt. So
ergibt sich als Bedingung
für die Anwendbarkeit des MVVKs das Vorhandensein
von rippenanalogen
Gelenken!
Für das MVVK gilt
weiterhin das Kriterium: Besserung bei
Bewegung und Verschlechterung in
Ruhestellung. (Das wird jedoch nicht immer deutlich, wie zum
Beispiel bei chronischen Ekzemen.)
An HWS und LWS finden sich diese Strukturen nicht. An der HWS zeichnet sich allein C1 mit dem Os occiput als Rippenanalogon aus. Im Bereich des Sacrum
Abb.11 Sacrum Abb. 12 BWS
entspräche das Os ileum der Rippenanalogie. Die Eindeutigkeit des
Wirkmechanismus an der BWS ist jedoch am Kopfgelenk und am Sacrum
nicht gegeben. Dennoch zeigt die siebenjährige Erfahrung mit der
Übertragung des Modells auf Kopfgelenk und ISG seine
Realitätstüchtigkeit auch für diese Bereiche. Auch hier können
Beschwerden wie Pustulosis plantaris, Wadenkrämpfe, Morbus Sudeck
oder diverse Syndrome des Kopfes wie Vertigo oder Migräne
oft sehr erfolgreich behandelt werden.
Wesentlich bei der
Auswahl der nach dem Modell der vertebro-vegetativen Koppelung
erfolgreich zu behandelnden Erkrankungen ist, dass sie dem Kriterium
regional begrenzt
genügen. Die Irritation des Sympathikus wirkt sich nur in dem von
ihm versorgten begrenzten Areal aus. Das erklärt dieses Merkmal.
HWS und LWS können nach dem
Modell der vertebro-vegetativen Koppelung jedoch keine Irritationen
des Grenzstrangs erzeugen. Damit
steht dieses Modell im Gegensatz zu allen anderen Kartographien.
Zur Verdeutlichung
obiger Aussage für die lokale Begrenztheit des Modells an der
Wirbelsäule: Pointiert ausgedrückt kann es also kein Cervico-brachial-Syndrom
geben. Es sei denn, ein Bandscheibenprolaps oder eine Foramenstenose
imprimiert die Hinterwurzel. In diesem Fall ist jedoch eine völlig
andere Symptomatik zu beobachten als eine Epicondylitis oder eine
Tendinitis calcarea der Schulter. Der Nerv ist „dumm“. Er kann nur
eine einzige Qualität vermitteln. Eine Kompression des sensiblen
Spinalganglions kann also direkt keine dystrophen
Folgen haben. Für die Trophik ist primär das vegetative Nervensystem
zuständig.
In diesem Zusammenhang
ist Folgendes zu bedenken. Eindeutig ist die prinzipielle und
sofortige Linderung des oben beschriebenen „painful arc“ durch die
Deblockierung von Th 5 ipsilateral. Die Blockierung erscheint als
conditio qua non für die Genese des Syndroms.
*****
_________
*****
Es gibt viele Versuche, dystrophe Erscheinungen durch Kopplungen von
somatischen mit vegetativen Nerven zu erklären. Diese sind jedoch
nie über einen hypothetischen Charakter hinausgekommen. Die
Steuerung des Vegetativums bedarf keiner hohen
Leitungsgeschwindigkeit und deswegen keiner Myelinscheiden.
Nur das ist der Grund für den relativ geringeren Querschnitt der
sympathischen Fasern. Für die Medizin im Allgemeinen ist das
Vegetativum aber wesentlich wichtiger. Das somatische Nervensystem
hat nur marginale Bedeutung. So leiden alle Erklärungsmodelle
bezüglich der neurologisch Krankheitsgenese meines Erachtens unter
der Imposanz des deutlich sichtbareren somatischen Nervensystems.
Weiterhin ist das vegetative Nervensystem zu wenig regelhaft, eher
diffus und schulmedizinisch nur wenig beeinflussbar. Nicht
Beeinflussbares ist nicht von Interesse. Deshalb ist die intensivste
Auseinandersetzung mit dem vegetativen Nervensystem in der
Neuraltherapie zu finden. Die Lektüre der Darstellungen von
Sympathikus und Ricker`scher Relationspathologie in Barops schon
zuvor zitiertem „Lehrbuch und Atlas der Neuraltherapie nach Hunecke“
wird deshalb zum besseren Verständnis dieses Artikels empfohlen
_____________
MVVK
und internistische Erkrankungen
Der Erfahrungsschatz mit
dem MVVK ist noch zu gering, um eine eigene Kartographie auch für
internistische Erkrankungen zu erstellen. Die Effektivität des
Modells zeigt sich jedoch zum Beispiel bei der Refluxösophagitis.
Seit Anfang 2010 wurden 12 von 12 Patienten (!)von ihren Beschwerden
befreit allein durch die
Mobilisierung von Th6 (generell nach rechts rotiert). Diese
Erfahrungen theoretisch belegend beschreibt Ricker [8] die
„sympathisch“ vermittelte Genese von Gastritiden.
******
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******
Die Entstehung von Gallensteinen wäre als sympathisch vermittelte
Gallengangsdyskinesie zu interpretieren. Hierzu gibt es eine
Kasuistik einer sportlichen, schlanken Frau. Nach zwei Monaten
Mobilisierung von Th 5 war der zuvor ein Jahr bestehende Gallenstein
sonographisch nicht mehr nachweisbar.
Herzrhythmusstörungen in Ruhe waren bisher immer durch eine
Deblockierung von Th4 zu beheben
________________________________
MVVK und orthopädische Erkrankungen Vor 20 Jahren entstand eine Kartographie für die Behandlung der Extremitäten sowie orthopädischer Erkrankungen des Thorax und des Beckens. Die in
Abb. 13 Abb. 14
dargestellten
Zuordnungen konnten bei über 10.000 Kasuistiken nur dreimal nicht
bestätigt werden.
Diese Kartographie deckt
sich nach Aussage des Schriftleiters der Zeitschrift „Manuelle
Medizin“ [9] mit den Erfahrungen der Ges. für manuelle Medizin. Je
nach Lokalisation der Erkrankung ist die zugehörige Blockierung mit
großer Sicherheit in dem von der Kartographie dargestellten
Wirbelbereich zu finden.
Wirbelblockierungen als Reaktion
auf innere Erkrankungen
Zufriedenstellend
erklärt das MVVK die bekannten Auswirkungen einer Wirbelblockierung
auf andere Organe, also die „Wirbelsäule als Ursache“. Berichte über
Wirbelblockierungen als Reaktion auf eine zum Beispiel
internistische Erkrankungen, also der Blockierung als Reaktion“ sind
jedoch derart zahlreich, dass eine afferente Verschränkung von
erkranktem Organ und Wirbelsäule einen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad
hat.
Das Modell der vertebro-vegetativen
Kopplung vermag jedoch nicht zu erklären, wie sympathische
Afferenzen von erkrankten Organen in der Lage sein können, eine
Wirbelblockierung zu erzeugen. Vorstellbar wären vom afferenten
vegetativen Nervensystem getriggerte Muskelverspannungen, die dann
Wirbelblockierungen auslösen. Dass dieser Wirbel dann auch genau der
wäre, der über die Efferenz dystroph sich auf dasselbe Organ
auswirkt, ist eher unwahrscheinlich.
Die Anwendung des MVVK beim Herpes zoster
Erfahrungen
Bisher war es mir nie jedoch gelungen, eindeutig die primäre
Erkrankungen als Ursache für eine Wirbelblockierungen zu detektieren.
*******
__________
*******Als Beispiel mag hier nochmals (siehe obige Kasuistik)die
Supraspinatus-Tendinopathie gelten, die ja nach meiner Empirie immer
mit einer Blockierung des 5. BWK einhergeht. Auch wenn die
Omarthralgie durch einen Sturz verursacht wurde, muss nicht die
Verletzung direkt am Schultergelenk ursächlich für den Schmerz sein,
da bei dem Sturz auch eine Rotationsblockierung des 5. BWK entstehen
kann. Diese führt dann über den beschriebenen Mechanismus zur
trophischen Störung und damit zum chronischen Schulter-Arm-Syndrom.
______________
Beim Zoster jedoch gab
es anscheinend nun erstmalig den Beleg für die Wirbelsäule als
„Wirkung“ Denn es war unzweifelhaft, dass der Varizelleninfekt die
primäre Ursache und das Immundefizit der sekundäre Auslöser war.
Aber schon bald zeigte sich, dass nicht einer der Zoster-Patienten
als immungeschwächt zu bezeichnen war. Der Zoster traf sie aus
„heiterem Himmel“. Allein ein Sturz ein bis zwei Wochen zuvor war
oft zu eruieren. Also auch hier war wieder keine Eindeutigkeit von
Ursache und Wirkung zu erkennen.
Schon vor dreißig Jahren
gelang es mir des Öfteren, einen Herpes Zoster oder sogar eine
Postzosterneuralgie manualtherapeutisch zu lindern. Diese Erfahrung
ließ Zweifel an der Richtigkeit der Lehrmeinung aufkommen, laut der
ein „verbranntes“ Hinterhornganglion Ursache der PZN sei. Die
Manualtherapie hätte dann nicht helfen dürfen. Das tat sie aber
eindeutig.
Weiterhin auffällig war
die überwiegende Verteilung der Effloreszenzen auf Kopf, Thorax /
Arme und Becken / Beine. Dieser Verlauf war sehr kongruent mit dem
MVVK, das seine Anwendbarkeit auch nur in diesen Regionen aufweist.
Die Behandlung des Herpes Zoster wurde ein wichtiger Beleg für die
Richtigkeit des MVVK`s.
Zur Situation der Zosterforschung
Zwischen den Stühlen zu sitzen ist unbequem. Das MVVK bringt uns nun
nicht nur neben die Stühle der Manualtherapie, sondern gleich auch noch
der Schulmedizin. Dieser Platz soll aber oft der Richtige sein. Um die
Glaubwürdigkeit des MVVKs aufrecht zu halten, wird es deshalb
erforderlich sein, die aktuelle Situation der Zosterforschung kurz zu
beleuchten.
Die Diskussion über den Status der Zosterforschung würde den Rahmen
dieses Artikels sprengen. Denn die Literatur besonders zur
Postzosterneuralgie (PZN) ist überaus umfangreich und äußerst
widersprüchlich. Kommentare und Übersichtsarbeiten der letzten Jahre
beschreiben das Wissen um die Materie als sehr nebulös. Ein Kommentator
bezeichnete die Situation sogar als ein „Tappen im Dunkeln“ [10] Meine
Literaturstudien zum Herpes Zoster bestätigen diesen Eindruck.
Beispielhaft ein abschließendes Zitat aus “Pain” 2007
[11]: “These are only some of the many questions in the management of
PHN.”
Nicht einmal die Interpretation, die Postzosterneuralgie sei als
sogenannter „Deafferentierungsschmerz“ eines Hinterhornganglion zu
deuten, scheint Bestand zu haben. Oft stellten sich andere als die
segmental zugehörigen Ganglien beim Zoster sich entzündet oder
degeneriert dar oder diese Affektion war auch ganz ohne Zostererkrankung
zu finden.
Nach meinen Erfahrungen mit dem Modell der vertebro-vegetativen Kopplung
vermute ich die Ursache für die geringen Erfolge von über 190 Jahren
Zosterforschung und deren widersprüchliche Ergebnisse in der Suche am
falschen Ort– eben nicht am Sympathikus.
Immunschwäche und Herpes Zoster
Auch die These der geschwächten Immunabwehr bei älteren Patienten ist zu
hinterfragen, wie der nur geringe altersproportionale Anstieg der
Zosterfälle in einer unveröffentlichten Kohortenstudie des Dermatologen
Dr. Ulrich Karsten aus Geesthacht zeigt (
Tab. 1 ). Eigene kleinere
Kohortenstudien zeigen eine wesentliche Häufung im Alter allein für die
Postzosterneuralgie. (Tab. 2 + 3).
Obwohl in der Literatur zumindest für den akuten Zoster eine größere
Inzidenz bei immungeschwächten Personen beschrieben wird, konnte das bei
mittlerweile 159 Zosterpatienten nicht bestätiget werden (s. o.)
********
__________
********
Weiterhin ist der Begriff Postzosterneuralgie zu hinterfragen. Der
Zoster besteht im Allgemeinen aus Effloreszenzen und Schmerz, der
überwiegend dem Ausbruch der Effloreszenzen vorangeht. Nicht nur Zoster
ohne Schmerz, sondern auch typische (brennende) Zosterschmerzen ohne
Effloreszenzen waren im Patientengut zu finden. Die Fälle mit Schmerzen
waren immer manualtherapeutisch gut zu therapieren, so dass der Eindruck
entstand, die Schmerzintensität sei direkt abhängig von der Intensität
der Blockierung. (Die Beschränkung des Begriffes Herpes Zoster auf das
Vorhandensein von Effloreszenzen ist nicht zufriedenstellend).
Manche PZN`s weisen auch nach Jahren neben dem Schmerz noch entzündete
Effloreszenzen auf. Die Postzosterneuralgie wäre nach meinem Dafürhalten
mit dem Terminus chronischer
Zoster
besser beschrieben. Analog einer
Hepaitis, die im akuten Stadium als Gelbsucht imponiert und im
chronischen Stadium sich nur noch durch erhöhte Transaminasen darstellt.
_____________________
Sympathikus und Herpes Zoster
Schon Blaschko versuchte in Anlehnung an Henle [12] das Zostersyndrom
durch eine vermutete Passage sensibler Fasern durch den Grenzstrang zu
erklären.
Auch die Angaben, Sympathikusblockaden seien die effektivste Therapie
einer Zosterneuralgie weisen in diese Richtung. Weiterhin sind die
typischen Zosterschmerzen untypisch für eine Neuralgie des sensiblen
Nervensystems. Eine Neuritis des N. Trigeminus würde einen
dauerhaften hellen, vernichtenden Schmerz, erzeugen. Die Schmerzen
entsprechen aber sehr genau den vom Sympathikus vermittelten Afferenzen:
Brennen und Jucken.*********
________
*********
Den Leser vermag der überwiegende Bezug auf ein über hundert Jahre altes
Werk irritieren. Im Verlaufe der Beschäftigung mit dem Herpes Zoster
musste ich jedoch Folgendes konstatieren: Bis auf die Erkenntnis, die
Zostereruptionen seien der Reaktivierung hibernierender Varicellenviren
geschuldet, scheint die Zosterforschung kaum über den Blaschko`schen
Wissenstand hinausgekommen zu sein, ja, vielleicht ist sie sogar
dahinter zurückgefallen.
Durch die lineare Denkweise der Virchowschen Zellularpathologie, sowie
zunehmender Verfeinerungen bildgebender und mikrobiologischer Verfahren
scheint uns manchmal die Distanz verloren gegangen zu sein, vernetzte
Systeme zu erkennen. Die Synopsis, zu der Blaschko fähig war, ist nicht
mehr gefragt.
_________
Wirbelblockierungen und Herpes Zoster
Die Präferenz der Effloreszenzen an BWS, Becken und Extremitäten sowie
des Kopfes und der extrem seltene Befall von HWS und LWS erinnern, wie
schon erwähnt, an das MVVK. Weiterhin wird die neuraltherapeutische
Sympathikusblockade (s. o.) als wirksamste Therapie bei akutem Zoster
und auch der PZN beschrieben. Bei letzterer ist die Wirksamkeit jedoch
nicht von langer Dauer. Das ist durch das MVVK gut erklärbar. Die
Prävalenz der Postzosterneuralgie beim älteren Patienten (siehe
Tab. 3) geht einher mit der Erfahrung der in dieser Gruppe häufig zu
findenden sehr hartnäckigen Blockierungen. Diese sind degenerativen
Veränderungen und fixierten Haltungsstörungen wie Rundrücken und
Skoliosen geschuldet.
Im Verlauf von vier Jahren wurden 120 Patienten mit akutem Zoster und 39
mit Postzosterneuralgie untersucht und dokumentiert. Nur bei vier
Patienten konnte keine, den Schmerz beeinflussende Blockierung
festgestellt werden. Auch in den seltenen Fällen, in denen die
Effloreszenzen im Bereich von LWS, Abdomen und HWS tangierten, konnten
die therapeutisch relevanten Blockierungen ausnahmslos im Bereich der
BWS oder des ISG gefunden werden.
Herpes Zoster und die doppelte sympathische Versorgung der Haut –
Blaschkolinien In über 10% der Fälle wiesen die Effloreszenzen einen, sich nicht an das zugehörige Segment haltenden Verlauf auf. Manchmal verliefen sie sogar senkrecht dazu (Abb. 13-14) analog den von Blaschko beschriebenen und nach ihm benannten Linien. Die von Blaschko aufgestellte und mittlerweile allgemein anerkannte Hypothese erklärt diese Naevus-Linien mit Hautverschiebungen im Verlauf der embryonalen Entwicklung siehe
Abb. 15 Abb. 16
Der Ursprung der Melanozyten ist ebenso wie der Vorläuferzellen des
Sympathikus
Abb. 17
Schon in frühestem Embryonalstadium löst sich die Neuralleiste
auf und ihre Zellen wandern in die Peripherie aus. Die sympathischen
Urzellen (Sympathikoblasten)bilden dann den Grenzstrang und beteiligen
sich auch zum Beispiel an der Versorgung des intestinalen Nervensystems
[13][14]).
Es ist zu hypothetisieren, dass der Sympathikus in diesem frühen
Stadium nicht nur das Intestinum infiltriert, sondern auch die Haut, die
sich dann in der weiteren Embryonalentwicklung nach den von Blaschko
beschriebenen Mustern verschiebt. Diese Hypothese kann nicht weiter
belegt werden, da nach Auskunft des Priv. Doz. Jörg Maenne vom
embryologischen Institut in Göttingen (Blechschmidt-Institut) hierzu
kaum Untersuchungen angestellt wurden. Sie ergibt sich jedoch logisch
aus der embryologischen Entwicklung, in der die Haut von der Peripherie
her die Wachstumsrichtung von Adern, Skelett/Muskulatur und Nerven
vorgibt, sowie aus den Erfahrungen mit den irregulären Zosterverläufen.
Veranlasst durch irritierende Zosterverläufe zitierte schon Blachko
seinen Antipoden Brissaud [15], der eine doppelte nervale Versorgung der
Haut vermutete. Seine These wäre wohl auf weniger Widerstand gestoßen,
wenn er sich,statt auf das somatische auf das vegetative Nervensystem
bezogen hätte. Auch Barop zitiert Ricker mit der Hypothese einer
doppelten sympathischen Versorgung für das Gefäßsystem [18].
Der Sympathikus und die Metamerie
Erst nach der 12. SSW findet der Grenzstrang durch die Rami albus und
griseus Anschluss an die vom Rückenmark vorgegebene Metamerie. Der
Grenzstrang ist also primär nicht an segmentale Strukturen gebunden.
Durch die Diversifikation der sympathischen Versorgung (s.
Abb. 8) können auch tiefer oder höher als das betroffene Segment
liegende Wirbelblockierungen zu Störungen führen.
Erst diese Erkenntnis ermöglichte die erfolgreiche manualtherapeutische
Behandlung des Zosters. So konnte sogar eine Postzosterneuralgie im
Segment von Th3 durch Deblockierung von Th 10 zur Abheilung gebracht
werden!
**********
______________
**********
Dieser Fall ist sehr interessant, da nach erfolgreicher Mobilisierung
der im Segmentbereich der Zostereffloreszenzen gefundenen Blockierungen
keine Linderung der Zosterschmerzen zu verzeichnen war. Die Patientin
gab jedoch an, die Relikte eines Morbus Sudeck mit Schmerzen im rechten
Arm und Problemen bei der Abduktion der Schulter seien durch die
Intervention verschwunden gewesen. Erst die Mobilisierung von Th10
linderte den Schmerz in der Achselhöhle und ließ die Effloreszenzen
verblassen.
_________________
Diskussion
Wie schon oben erwähnt, weist das MVVK im Bereich von ISG und
Kopfgelenken nicht die Eindeutigkeit der Mechanik auf, wie sie im
Bereich des Thorax gegeben ist. Am ISG ist der Grenzstrang nicht genau
über der Gelenkfuge gelegen, sondern weiter medial (Abb.
17). Als Hilfskonstrukt ist hier eine Beeinflussung des Grenzstrangs bei
Verwringungen des ISG durch Verspannungen bindegewebiger Strukturen
anzunehmen.
Wie die Beeinflussung des Sympathikus im Bereich der Kopfgelenke
funktionieren kann, ist trotz intensiver Nachforschungen völlig unklar
geblieben. Auch zur sympathischen Vermittlung von Tinnitus, Vertigo,
Migräne oder Sehstörungen konnten keine Hinweise gefunden werden.
Auch die Beeinflussbarkeit von kalten Händen oder Füßen über die
Dornfortsätze von C7 und L5 ist mit dem Modell der vertebro-vegetativen
Koppelung nicht erklärbar, da hier keine rippenanalogen Strukturen
vorliegen
Weiterhin ist die Behandelbarkeit der Meralgie durch die Lösung
einer ipsilateralen Blockierung von L2 durch obige Ausführungen nicht
erklärbar.
Auffällig ist die Koinzidenz von Haltungsstörungen (Rundrücken,
„Witwenbuckel“) mit dem Auftreten von degenerative Veränderungen der
Hände wie Heberdenarthrose. Auch hier ist eine Bedrängung des
Grenzstrangs anzunehmen, denn eine manualtherapeutische Intervention
vermag hier eine rasche Schmerzlinderung zu erreichen. Die seltenere
Bouchard-Arthrose blieb jedoch unbeeinflussbar.
Weiterhin von Interesse ist der häufig mit einem Lichen amyloideus
Abb. 18
einhergehende chronische Juckreiz am Rücken. Hier ist silateral immer eine Wirbelblockierung zwei oder drei Segmente tiefer
festzustellen. Unklar ist, ob dieser Juckreiz auch der Blaschko-Systematik
unterliegt oder zum Erfahrungsbereich gehört, dass Syndrome des Rückens
im Allgemeinen durch eine Blockierung 2-3 Segmente tiefer verursacht
wird.
Irritierend ist, dass durch die Lösung kaum zu tastender Blockierungen
oft wesentlichere Veränderungen erzielt werden können als bei sehr
dominanten Blockierungen. So ist bei Migräne oder Postzosterneuralgie
des Kopfes oft eine Blockierung von C2 dominant. Fraglich ist dabei, ob
hier nicht ein Konrotationspaar vorliegt mit C1.
Schlussbetrachtungen
Der geschätzte Leser möge die Realitätstüchtigkeit der verschiedenen
Modelle überprüfen und sich ein Urteil bilden. Das MVVK widerspricht in
seiner Einfachheit der gängigen Überzeugung, komplexe Erkrankungen
bedürften einer komplexen Therapie. Hier gilt ein klares Entweder -
Oder:
A)
Entweder die Erkrankung ist durch das Modell erklärbar und dann auch
erfolgreich zu therapieren,
B)
oder es gehört nicht dazu. Dann ist für den Manualtherapeuten eine
Triage zu überlegen.
Um erfolgreich mit dem Modell arbeiten zu können, sollten, wie schon
oben erwähnt, als wichtigste Kriterien immer beachtet werden:
1. Verschlechterung in
Ruhe
2. chronische regional
begrenzte Syndrome
Dabei ist zu bedenken, dass durch die Variabilität des als einzigem
Nervensystem den gesamten Körper versorgenden Sympathikus und
seiner zwiefachen Rolle als Ursache und Vermittler von Erkrankungen sehr
komplexe Syndrome entstehen können. Die Rechtsrotation von Th 6
verursacht entweder eine Arthrose im AC-Gelenk, eine Refluxösophagitis,
Schmerzen im Sinne einer „Intercostalneuralgie“ (Verschlechterung in
Ruhe!), ein lokales Ekzem auf Schulterhöhe oder macht sich gar nicht
bemerkbar. Dennoch ist die Behandlung ganz monoman. Letzteres kann zu
einer erheblichen Sicherheit bei der Diagnostik und, durch entsprechende
Übung, auch der Therapie führen.
Die Neuraltherapie als einzige Therapieform, die gezielt über den
Sympathikus therapiert, findet ihre Grenzen im Bereich des ISG und ist
nicht ungefährlich im Bereich des Thorax und der Kopfgelenke. Gerade in
dieser „neuraltherapeutischen Lücke“ kann nun die Manualtherapie ganz
gezielt einsetzen.
Nach meinen Erfahrungen sind es gerade die nicht in ein System zu
bringenden Syndrome ohne bekannte Ursache, bei denen das Modell der
vertebro-vegetativen Koppelung erfolgreich anwendbar ist. So sind zum
Beispiel zwei von vier idiopathischen Facialisparesen, ein
rezidivierender Herpes der Wange mit regelmäßig nachfolgender
Trigeminusneuralgie sowie eine schwere Neuronitis vestibularis durch
Deblockierung des ipsilateralen Kopfgelenkes geheilt worden.
Wichtig für die Behandlung des Herpes Zoster und der Postzosterneuralgie:
die Bindegewebsstrukturen über den kleinen Wirbelgelenken sind von einer
kittartigen Härte. Erst nach der Anwendung der Dorn`schen
Mobilisierungs-technik waren relativ zu osteopathischen und
chiropraktischen Maßnahmen zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen.
Vielleicht entsteht durch die breite Auseinandersetzung mit dem MVVK
eine fundiertere Kartographie als die bisher tradierten. Wenn das
gelingen sollte, wird die Manualtherapie einen bedeutenden Stellenwert
in der Medizin einnehmen können.
Abschließend möchte ich Darwin zitieren: „Eine Theorie ist immer besser
als gar keine. Berichtigt kann sie werden, vorausgesetzt, sie ist einmal
da“.
Literaturliste:
[1] Barop H: Lehrbuch und Atlas der Neuraltherapie. Stuttgart;
Hippokrates; 1996:30.
[2] Barop H: ebenda:31.
[3] Barop H: ebenda: 35.
[4] Barop H: ebenda: 16.
[5] Blaschko A: Die Nervenverteilung in der Haut in ihrer Beziehung zu
den Erkrankungen der Haut, Beilage zu den Verhandlungen der Dt.
dermatologischen Ges. VII. Kongress 1901, Leipzig, Braumüller: 53.
[6] Blaschko A: ebenda: 25.
[7] Blaschko A: ebenda: 53.
[8] Barop H: ebenda: 35.
[9]Graf-Baumann T.
persönliche Mitteilung. 2003.
[10] Müller G: Die
postzosterische Neuralgie; Diskussion. Deutsches Ärzteblatt 1996; 93; A
2789.
[11] Karmakar A: New advances in pathophysiology of
PHN: Are they clinically relevant?
Pain2007;130:195-197.
[12] Blaschko A: ebenda: 13.
[13] Gershon M. Der kluge Bauch. München2001; Goldmann;367.
[14] Trepel M.
Neuroanatomie, München 2008; Elsevier; 16.
[15] Blaschko A: ebenda: 8-9
[16] Blaschko A: ebenda: 30 |
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